Auswirkungen der ökologischen Steuerreform auf das Handwerk

Kornhardt, U. (1999). Auswirkungen der ökologischen Steuerreform auf das Handwerk. Göttinger Handwerkswirtschaftliche Arbeitshefte (Heft 39). Göttingen.

Der Grundgedanke der von der Bundesregierung geplanten ökologischen Steuerreform – höhere Belastung des Faktors Umwelt bei gleichzeitiger Entlastung des Faktors Arbeit in aufkommensneutraler Weise – kann für das arbeitsintensive Handwerk durchaus reizvoll sein, da es besonders stark von den hohen Kosten des Faktors Arbeit betroffen ist, die wiederum zu einem erheblichen Teil durch Steuern und Sozialabgaben verursacht sind. So betrafen im Jahr 1997 knapp zwei Drittel aller Steuern und Abgaben den Faktor Arbeit, während es 1970 erst 45 % waren. Die Besteuerung des Faktors Umwelt ging demgegenüber in diesem Zeitraum von 12 % auf 8 % zurück. Entsprechend ist es erklärtes Ziel der Regierungskoalition, durch eine ökologische Steuerreform vor allem die besonders arbeitsintensiven kleinen und mittleren Unternehmen von Kosten des Faktors Arbeit zu entlasten. Die Untersuchung zeigt jedoch, daß das Handwerk eindeutig zu den Verlierern der 1. Stufe der ökologischen Steuerreform in der jetzt vorliegenden Form gehört.

Insgesamt wird der Wirtschaftsbereich Handwerk nach den Berechnungen des SfH netto um rund 170 Mill. DM zusätzlich belastet, während ein Großteil der besonders viel energieverbrauchenden Industrie entweder ganz von den Ökosteuern befreit ist oder in den Genuss von Steuerermäßigungen kommt. Auf diese Weise "subventioniert" faktisch der kleinbetriebliche Handwerkssektor einen Teil der Großindustrie, da diese Vorteile aus der gleichzeitigen Senkung der Personalzusatzkosten zieht. Das bedeutet, dass die ökologische Steuerreform in ihrer derzeitigen Ausgestaltung zu Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten des Handwerks führt und überdies die kleinen Betriebe diskriminiert, die aufgrund ihres relativ geringen Energieverbrauchs nicht in den Genuss der ermäßigten Ökosteuersätze kommen. Dadurch konterkariert das vorliegende Ökosteuerkonzept geradezu die angestrebten umwelt- und beschäftigungspolitischen Ziele, da es nicht nur die falschen Signale setzt, sondern auch noch die falschen belohnt.

Im Einzelnen brachte die Untersuchung folgende Ergebnisse:

  1. Der Wirtschaftsbereich Handwerk profitiert nur zu einem geringen Teil von den in der 1. Stufe vorgesehenen um 75 % ermäßigten Ökosteuersätzen für das Produzierende Gewerbe, da aufgrund der überwiegend kleinbetrieblichen Struktur des Handwerks die Mehrzahl der Betriebe die festgelegten Bagatellgrenzen, ab denen die ermäßigten Steuersätze überhaupt erst greifen, gar nicht erreicht. Zum anderen kommen rund 30 % aller Handwerksbetriebe von vorneherein nicht in den Genuss der Steuerermäßigungen, weil sie nicht zum Produzierenden Gewerbe zählen. Das bedeutet, dass der größte Teil des Handwerks mit den vollen Ökosteuersätzen belastet wird.
  2. Im Handwerk lässt sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Energieintensität und der Betriebsgröße feststellen, der mehr oder weniger stark ausgeprägt für alle Handwerksbranchen gilt: Je weniger Beschäftigte der Betrieb hat, desto höher ist der Energiekostenanteil. Besonders deutlich schlägt sich dieser Zusammenhang bei den handwerklichen Kleinbetrieben mit bis zu 3 Beschäftigten nieder, die ein besonders ungünstiges Verhältnis der gesetzlichen Personalzusatzkosten zu den Energiekosten aufweisen.
  3. Durch die in der 1. Stufe vorgesehenen Ökosteuersätze werden die Handwerksbetriebe bei den Energiekosten zwischen 6 % und 8 % mehr belastet, wobei die Höhe der prozentualen Mehrbelastung maßgeblich davon abhängt, ob die Betriebe in den Genuss der ermäßigten Steuersätze kommen oder nicht. Demgegenüber macht die prozentuale Entlastung bei den gesetzlichen Personalzusatzkosten – für alle Betriebe gleich – 0,4 Prozentpunkte oder 1,9 % aus.
  4. Daraus errechnet sich für einen durchschnittlichen Handwerksbetrieb per Saldo eine jährliche Mehrbelastung von bis zu 480 DM. Differenziert nach Betriebsgrößen werden dabei die kleinen und mittleren Handwerksbetriebe bis 20 Beschäftigte per Saldo durchgängig belastet, während die größeren Betriebe ab 20 Beschäftigte zum Teil von der Ökosteuerreform profitieren, insbesondere wenn die ermäßigten Steuersätze zum Tragen kommen.
  5. Innerhalb des Handwerks gehören die meisten Handwerkszweige zu den Verlierern der 1. Stufe der ökologischen Steuerreform. Zu den Hauptleidtragenden gehören die Galvaniseure, Textilreiniger, Keramiker sowie die Nahrungsmittelhandwerke, bei denen alle Betriebe, unabhängig von der Betriebsgröße draufzahlen müssen. Unterm Strich profitieren tun dagegen die Gebäudereiniger sowie einige Bauhandwerke wie Maurer, Zimmerer, Dachdecker, Elektroinstallateure sowie Maler und Lackierer.
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