Das Internationalisierungsverhalten von Handwerksbetrieben - Entscheidungsprozesse und Strategien

Ostendorf, T. (1997). Das Internationalisierungsverhalten von Handwerksbetrieben - Entscheidungsprozesse und Strategien. Göttinger Handwerkswirtschaftliche Studien (Band 54). Duderstadt: Mecke.

Im Zuge der zunehmenden Globalisierung gilt ein verstärktes Augenmaß den Internationalisierungspotentialen der gesamten Wirtschaft. Die Entscheidungsprozesse von Großunternehmen bezüglich ihres Auslandsengagements sind seit längerem ausgiebig untersucht worden. Das Handwerk wurde dabei - ebenso wie die übrigen Klein- und Mittelbetriebe - vernachlässigt. Dies ist deshalb ein Problem, weil Entscheidungsprozesse von Großunternehmen nicht auf das Handwerk übertragen werden können.

Der Autor der vorliegenden Publikation hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Lücken zu füllen, indem er insbesondere die qualitativen Aspekte der Internationalisierung von Handwerksbetrieben theoretisch und empirisch eingehend untersucht. Auf der Basis umfangreicher Interviews mit bereits erfolgreich grenzüberschreitend tätigen Handwerksunternehmen konzentriert er seine Analyse auf die Entscheidungsprozesse der Betriebsinhaber im Rahmen ihres Auslandsengagements.

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, daß die handwerklichen Exporteure durch folgende Gruppen grob charakterisiert werden können. Zum einen vertreiben hochspezialisierte Nischenproduzenten ihre technologisch anspruchsvollen Produkte an Abnehmer in aller Welt. Für sie reicht das Absatzpotential des heimischen Marktes nicht aus, so daß sie aktiv nach Vermarktungsmöglichkeiten im Ausland suchen. Diese Betriebe sind überwiegend im Binnenland ansässig. Die grenznahen Handwerksbetriebe konzentrieren sich zum anderen auf einen wohnortnahen Markt, der bei ihnen zumindest teilweise auch das Nachbarland umfaßt. Hierbei kommt neben der geographischen vor allem auch der psychischen Nähe zum benachbarten Ausland, die durch kulturelle und insbesondere sprachliche Gemeinsamkeiten charakterisiert ist, eine wesentliche Bedeutung zu.

Für den Erfolg eines Exportengagements spielt die Betriebsgröße nicht die entscheidende Rolle, denn auch handwerkliche Ein-Personen-Betriebe können grundsätzlich ihre Produkte in Länder in aller Welt vertreiben. Wesentliche Voraussetzung ist jedoch der Aufbau von international verwertbaren, firmenspezifischen Wettbewerbsvorteilen, um gegen die globale Konkurrenz zu bestehen. Das Handwerk zeichnet sich in dieser Hinsicht insbesondere durch traditionelle "Tugenden" wie Qualität, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit etc. aus, die im Ausland immer noch hoch geschätzt werden. In Verbindung mit der Fähigkeit zur flexiblen und innovativen Reaktion auf Kundenwünsche gelingt es den im Export tätigen Handwerksbetrieben dadurch, einen teilweise erheblichen Anteil ihres Umsatzes im Ausland zu erwirtschaften.

Die Entscheidungen über die Vorgehensweise auf den Auslandsmärkten werden gewöhnlich vom Unternehmer allein getroffen. Dabei haben dessen Persönlichkeitsmerkmale wesentlichen Einfluß auf die Strategiewahl. In den meisten Betrieben dominiert ein Unternehmertyp, der sich durch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen administrativ-ausführenden und dynamisch-schöpferischen Fähigkeiten auszeichnet. Das Zusammenspiel kreativer und organisatorischer Begabungen ermöglicht es ihm, Lösungen für die im Zusammenhang mit dem Auslandsengagement auftretenden Probleme zu finden.

Von zunehmender Bedeutung ist für die Exportbetriebe die Ergänzung des Produktangebots durch Dienstleistungen, um sich einen Wettbewerbsvorsprung gegenüber der in- und ausländischen Konkurrenz zu verschaffen. Hierbei handelt es sich allerdings nicht mehr ausschließlich um die herkömmlichen produktbezogenen Dienstleistungen wie Montage, Installation, Wartung und Reparatur, sondern mehr und mehr auch um "intelligente" Serviceleistungen wie Planung, Engineering und Beratung.

Das Handwerk ist für diesen Trend zur Tertiarisierung im allgemeinen gut gewappnet, denn das duale Ausbildungssystem gewährleistet das hierfür notwendige Know-how. Angesichts der technologisch immer anspruchsvoller werdenden Produktionsprozesse erscheint es allerdings unumgänglich, die theoretische Ausbildung der im Handwerk Beschäftigten zu intensivieren, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit dieses Wirtschaftszweigs zu steigern.

Dies gilt insbesondere für den metallverarbeitenden Sektor, der bei weitem das größte Kontingent an international tätigen Handwerksbetrieben stellt. Denn gerade in diesen Branchen sind die Ansprüche der ausländischen Abnehmer an die Leistungsfähigkeit und Innovationskraft ihrer Lieferanten besonders hoch. Außerdem stehen die Handwerker in diesem Segment in einem äußerst intensiven Wettbewerb mit in- und ausländischen Abnehmern auch aus dem industriellen Mittelstand, der sie zu fortlaufenden Produktverbesserungen und -neuerungen zwingt. Hierbei erweist sich eine Nischenstrategie als günstig, weil so die Wettbewerbsvorteile auf die Befriedigung der Bedürfnisse eines relativ eng umrissenen Kundenkreises konzentriert werden können.

Aber auch Handwerkern aus anderen Branchen bieten sich gute Absatzchancen im Ausland, wenn es ihnen gelingt, ihr Leistungsangebot an die speziellen Bedürfnisse der ausländischen Abnehmer anzupassen. In vielen Fällen muß jedoch zunächst eine bei den meisten Handwerkern vorhandenen Hemmschwelle gegenüber einem grenzüberschreitenden Engagement überwunden werden, ehe diese Chancen erkannt und genutzt werden.

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