Auswirkungen der Ökologischen Steuerreform auf das Handwerk nach der fünften Stufe

Kornhardt, U. (2003). Auswirkungen der Ökologischen Steuerreform auf das Handwerk nach der fünften Stufe. Göttinger Handwerkswirtschaftliche Arbeitshefte (Heft 53). Göttingen.

Vor fünf Jahren hat der Deutsche Bundestag das "Gesetz zum Einstieg in die Ökologische Steuerreform" verabschiedet. Ziel war es, durch eine Erhöhung der Energiebesteuerung den Energieverbrauch in Deutschland und die damit verbundenen Schadstoffemissionen zu vermindern. Mit den Ökosteuereinnahmen sollten die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung schrittweise gesenkt werden, um auf diese Weise eine nachhaltige Entlastung der Unternehmen bei den Personalzusatzkosten zu erreichen.

Die erste Stufe der Ökologischen Steuerreform trat am 1. April 1999 in Kraft, die nächsten Stufen dieser Reform folgten jeweils zu Beginn der Jahre 2000 bis 2003. Mit jeder Stufe wurde die Ökosteuer schrittweise erhöht, so dass sich die Energiepreise für die Unternehmen bzw. Verbraucher von Jahr zu Jahr verteuerten. Anfang 2003 ist die fünfte und vorerst letzte Erhöhungsstufe der Ökologischen Steuerreform in Kraft getreten. Gleichzeitig hat der Deutsche Bundestag mit dem "Gesetz zur Fortentwicklung der Ökologischen Steuerreform" eine Reihe von Änderungen bzw. Modifizierungen beschlossen, die vor allem für die Unternehmen des Produzierenden Gewerbes durch die Reduzierung der Steuerbegünstigung und die Änderung der Spitzenausgleichsregelung zum Teil erhebliche Kostenauswirkungen haben.

Das Seminar für Handwerkswesen an der Universität Göttingen hat bereits kurz nach Einführung der Ökologischen Steuerreform im Jahr 1999 untersucht, welche Kostenauswirkungen von der ersten Ökosteuerstufe auf das Handwerk ausgingen. Als Ergebnis wurde seinerzeit festgestellt, dass ein Handwerksbetrieb im Durchschnitt eine jährliche Mehrbelastung von bis zu 153 EUR zu tragen hatte. Die meisten Handwerkszweige gehörten zu den "Verlierern" der ersten Stufe der Ökologischen Steuerreform, während nur einige wenige Handwerke per Saldo profitieren konnten. Insgesamt ergab sich für das Handwerk eine Mehrbelastung durch die erste Steuerstufe von rund 49 Mio. EUR.

In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, in welcher Höhe die Handwerksbetriebe in der Endstufe der Ökologischen Steuerreform (ab Anfang 2003) kostenmäßig belastet werden, wie hoch die Gesamtbelastung des Wirtschaftsbereichs Handwerk in der Endstufe ausfällt und wie stark die Kostenbelastung der Handwerksbetriebe durch einen entsprechend höheren Rentenversicherungsbeitrag im Vergleich zu heute wäre, wenn es keine Ökosteuer gäbe. Darüber hinaus wird eine Zwischenbilanz über die mit der Ökologischen Steuerreform angestrebten ökonomischen und ökologischen Ziele gezogen.

Folgende zentrale Ergebnisse lassen sich festgehalten:

Die durchschnittliche jährliche Gesamtbelastung eines Handwerksbetriebes in der Endstufe der Ökologischen Steuerreform beträgt 1.284 EUR. Davon entfallen etwa 60 % auf Zusatzkosten für Treibstoffe und 40 % für Brennstoffe.

Damit hat sich seit Inkrafttreten der Ökologischen Steuerreform 1999 die Kostenbelastung der Handwerksbetriebe im Durchschnitt mindestens verdreifacht, bei vielen Betrieben dürfte die Mehrbelastung jedoch deutlich höher liegen.

Im Gegensatz zur ersten Stufe der Ökologischen Steuerreform gibt es in der Endstufe innerhalb des Handwerks keine "Gewinner" mehr. Vielmehr werden unterm Strich alle Handwerkszweige ohne Ausnahme belastet.

Obwohl gut zwei Drittel der Handwerksbetriebe zum Produzierenden Gewerbe gehören, kommt die Mehrzahl von ihnen aufgrund der Sockelbetragsregelung größenbedingt nach wie vor nicht in den Genuss der Steuerbegünstigung und der Spitzenausgleichsregelung für das Produzierende Gewerbe, weil ihr Energieverbrauch bei Strom und Brennstoffen unterhalb der Bagatellgrenzen liegt, ab denen der ermäßigte Steuersatz erst greift. Damit besteht die von Anfang an im Gesetz angelegte Diskriminierung des kleinbetrieblichen Wirtschaftsbereichs Handwerk gegenüber der Industrie fort.

Eine Differenzierung nach Betriebsgrößen zeigt, dass vor allem die kleinen Handwerksbetriebe bis zu 3 Beschäftigten von der Ökosteuer belastet werden, weil sie aufgrund der Sockelbetragsregelung weder in den Genuss der Steuerbegünstigung für das Produzierende Gewerbe kommen noch nennenswert von den Einsparungen bei den Rentenversicherungsbeiträgen profitieren können.

Insgesamt wird der Wirtschaftsbereich Handwerk durch die Ökologische Steuerreform in der Endstufe mit rund 855 Mio. EUR belastet. Lässt man die Treibstoffkosten außer Acht und betrachtet nur die Strom- und Brennstoffkosten, beläuft sich die Belastung auf rund 345 Mio. EUR. Damit hat sich die Belastung des Handwerks in der Endstufe der Ökologischen Steuerreform seit Einführung der Reform mehr als versiebenfacht bzw. verdreifacht (nur Strom und Brennstoffe, ohne Berücksichtigung von Treibstoffkosten).

Durch die bestehende Ausgestaltung der Ökologischen Steuerreform mit der erheblichen Steuerbegünstigung und der Spitzenausgleichsregelung für das Produzierende Gewerbe einerseits und der Kleinbetriebe diskriminierenden Sockelbetragsregelung andererseits gehört das Handwerk zu den Hauptverlierern der Ökologischen Steuerreform in der Endstufe. Dadurch ergibt sich die paradoxe Situation, dass das vergleichsweise energiesparsame und relativ arbeitsintensive Handwerk quasi über die Ökologische Steuerreform die energieintensive Investitionsgüterindustrie, die unterm Strich mit rund 877 Mio. EUR profitiert, subventioniert.

Ein fiktiver Belastungsvergleich für das Handwerk mit und ohne Ökologische Steuerreform zeigt, dass die Handwerksbetriebe im Durchschnitt durch die Ökosteuer in der Endstufe mit rund 500 EUR im Jahr stärker belastet werden als in der Referenzsituation ohne Ökologische Steuerreform mit entsprechend höheren Rentenversicherungsbeiträgen. Nur bei großen Handwerksbetrieben mit über 50 Beschäftigen wirkt sich die Ökologische Steuerreform vergleichsweise vorteilhaft aus, weil die Einsparungen bei den Rentenversicherungsbeiträgen die Mehrbelastung durch die Ökosteuer überkompensieren.

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