Erste Auswirkungen der Novellierung der Handwerksordnung von 2004

Müller, K. (2006). Erste Auswirkungen der Novellierung der Handwerksordnung von 2004. Göttinger Handwerkswirtschaftliche Studien (Band 74). Duderstadt: Mecke.

Die 2004 in Kraft getretene Novellierung der Handwerksordnung war heftig umstritten. Die Befürworter erhofften sich davon die Beendigung der Strukturkrise des Handwerks verbunden mit einem wachsenden Betriebsbestand, einer höheren Qualität der handwerklichen Produkte und Leistungen, einer steigenden Beschäftigung und einer zurückgehenden Schwarzarbeit. Die Gegner befürchteten vor allem für das Handwerk eine Dequalifizierungsspirale.

Gut zwei Jahre nach In-Kraft-Treten der HwO-Novellierung lässt sich sicherlich noch kein endgültiges Fazit über die Auswirkungen dieser Novelle ziehen. Das liegt primär daran, dass nur für wenige Indikatoren belastbare Daten vorliegen und deren kurze Zeitreihe stark durch Anfangseffekte beeinflusst ist.

Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich jedoch feststellen, dass die Zahl der Existenzgründungen im Handwerk, insbesondere in den zulassungsfreien Berufen, erheblich gestiegen ist. Damit konnte eine negative Entwicklung der letzten Jahre gestoppt werden. Obwohl die Bestandsfestigkeit vieler Gründungen relativ gering ist, hat sich auch die Zahl der Handwerksbetriebe insgesamt erhöht. Die Auswirkungen auf die Humankapitalbildung fallen eher negativ aus, insbesondere was die Zahl der bestandenen Meisterprüfungen betrifft. Im Ausbildungsbereich ist derzeit eine eindeutige Aussage nur schwierig zu ziehen, weil die Entwicklung in den letzten zwei Jahren stark durch andere Faktoren (Ausbildungspakt, Ausbildungskampagnen in verschiedenen Berufen, schlechte wirtschaftliche Situation der Betriebe) überlagert worden ist. Eindeutig lässt sich nur eine gesunkene Ausbildungsbereitschaft, vor allem der neu gegründeten Betriebe, feststellen. Positive Auswirkungen auf die Zahl der Handwerksbeschäftigten durch die HwO-Reform sind bislang nicht erkennbar. Die gestiegene Zahl von Selbstständigen konnte bislang höchstens bei den zulassungsfreien Handwerken den Rückgang bei den abhängig Beschäftigten kompensieren. In den zulassungspflichtigen Handwerken ist die Beschäftigung weiter rückläufig. Positiv hat die HwO-Novellierung sicher zum Abbau der Schwarzarbeit beigetragen, wobei hierfür auch noch andere Faktoren verantwortlich sind. Über die Entwicklung des Preisniveaus für handwerkliche Güter und Leistungen lassen sich keine generellen Aussagen machen. Preissenkende Effekte kommen vor allem bei Fliesenlegerarbeiten vor.

Derzeit bleibt als zentrales bisheriges Ergebnis der HwO-Reform der Existenzgründungsboom. Dieser hat zu einer Zunahme des Bestandes an Selbstständigen im Handwerk und damit auch in der gesamten Volkswirtschaft geführt. Zu bedenken ist jedoch, dass eine Zunahme der Selbstständigenquote nicht immer mit mehr Wachstum und Beschäfti­gung einhergeht. Wichtiger ist die Qualität der Existenzgründungen.

Sieht man sich die Existenzgründer im Handwerk seit der HwO-Novellierung, insbesondere in den zulassungsfreien Handwer­ken an, lässt sich feststellen, dass diese in der Regel keine besonderen Qualifikationen mitbringen. Somit fehlt ihnen eine wichtige Grundlage, um in einen innovativen Wettbewerbsprozess einsteigen zu können und sich da­durch am Markt zu behaupten. Vielmehr besteht die Gefahr, dass sie ihre Existenzgrundlage durch einen ruinösen Preiswettbewerb zu sichern versu­chen. Da die Neugründungen vielfach zusätzlich einen Wettbewerbsvorteil infolge ihrer Subventionierung aufweisen, führt dies bei nicht wachsenden Märkten, wozu derzeit die meisten handwerksrelevanten Märkten zählen, dazu, dass bestehende Unternehmen entweder Beschäftigte abbauen müs­sen (Drehtüreffekt) oder gar in ihrer Existenz gefährdet sind. Obwohl hierfür bislang keine gesicherten Daten vorliegen, deutet einiges darauf hin, dass die Existenzgründungen seit 2004 bislang zu Arbeitsplatzverlusten bei bestehenden Betrieben geführt haben.

Für die Zukunft ist damit zu rechnen, dass die starke Betriebsexpansion, insbesondere in den zulassungsfreien Handwerken, nachlässt. Hierauf deuten erste Ergebnisse des Jahres 2006 hin. Für diese Entwicklung sind verschiedene Gründe maßgeblich. So dürfte vor allem der Nachholeffekt an Existenzgründungen durch die Erleichterungen der HwO-Reform langsam abklingen. Aber auch der positive Einfluss auf die Gründungszahlen, der in den letzten zwei Jahren durch die Co-Faktoren (Ich-AG-Förderung, Gründer aus den neuen EU-Beitrittsstaaten, verbesserte wirtschaftliche Lage) ausgegangen ist, sollte zukünftig an Gewicht verlieren.

Die Diskussion über die Auswirkungen der HwO-Reform sollte sich aber nicht nur auf die Entwicklung der reinen Gründungs- bzw. Betriebszahlen erstrecken. Wichtiger erscheint es, zukünftig anderen Aspekten, die mit dieser Reform verbunden sind, stärkere Aufmerksamkeit zu schenken. Dies sind vor allem die Fragen, wie sich die Qualität handwerklicher Produkte und Leistungen infolge der HwO-Reform geändert hat, ob die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit des Handwerks gestiegen ist und ob sich gesicherte Aussagen über die Veränderung bei den Beschäftigten ableiten lassen. Darüber hinaus sollte auch untersucht werden, welche Auswirkungen sich längerfristig für die gesamtwirtschaftliche Ausbildungsfunktion und das Erscheinungsbild des Handwerks ergeben. Nur wenn hierüber Ergebnisse vorliegen, lässt sich endgültig über die Ergebnisse der HwO-Reform urteilen.

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