Innovationsprozesse im Handwerk

Lahner, J. (2004). Innovationsprozesse im Handwerk. Göttinger Handwerkswirtschaftliche Studien (Band 69). Duderstadt: Mecke.

In der Schriftenreihe "Göttinger Handwerkswirtschaftliche Studien" ist in diesen Tagen eine wissenschaftliche Untersuchung mit dem Titel " Innovationsprozesse im Handwerk" erschienen. Hierbei handelt es sich um die Dissertation von Dr. Jörg Lahner, welche am Seminar für Handwerkswesen an der Universität Göttingen entstanden ist. Durch die umfassende Analyse unterschiedlichster Facetten handwerklicher Innovationstätigkeit betritt der Autor wissenschaftliches Neuland. Seine Synthese von Konzepten, von Theorie und Empirie weist zugleich eine große Praxisnähe auf, die maßgeblich durch die Evaluierung von zwei Innovationsförderungsprogrammen der öffent­lichen Hand sowie acht Tiefeninterviews mit Handwerksunternehmen geschaffen wird. Teile der Arbeit, vor allem die empirische Auswertung eines Innovationsförderprogramms des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums, waren vorab im Juni in einer Kurzfassung als Göttinger Handwerkswirtschaftliches Arbeitsheft erschienen.

Das Thema der Arbeit ist aus vielerlei Gründen von hoher Aktualität. Der technische Fortschritt zeitigt in diesen Jahren einen dynamischen inter- und intrasektoralen Wandel mit beträchtlichen Beschäftigungswirkungen. Handwerkliche Innovationsprozesse stellen in diesen Zusammenhängen einen Kristallisationspunkt dar. Allerdings ist diese Thematik bisher nicht systematisch erforscht worden. Hier setzt nun der Autor an, indem er die Innovationsaktivitäten im Handwerk einer eingehenden Analyse derart unterzieht, dass die Rolle des Handwerks auch im gesamtwirtschaftlichen Innovationsprozess beleuchtet wird.

Das Ziel der Arbeit liegt zunächst darin, ein handwerksgerechtes Innovationsverständnis zu entwickeln. Die heterogene Leistungsstruktur des Handwerks und die starke Meisterprägung zeigen letztlich die Notwendigkeit eines sehr breiten Innovationsverständnisses. Dieses muss die absatzwirtschaftlichen Konsequenzen aus der individuellen Leistungserstellung berücksichtigen, indem Innovationen nicht auf Neuerungen in Massenmärkten reduziert werden dürfen. Zudem ist den Besonderheiten, die Dienstleistungsinnovationen aufweisen, Rechnung zu tragen.

Im Weiteren prüft der Autor die wesentlichen innovationstheoretischen Forschungsrichtungen auf ihre Eignung für den handwerklichen Kontext. Dies mündet in der Entwicklung eines Referenzschemas für die Erklärung der Unterschiedlichkeit von Innovationsmustern verschiedener Sektoren unter besonderer Berücksichtigung des Handwerks.

Die theoretischen Vorarbeiten ermöglichen anschließend eine fundierte Analyse wesentlicher interner und externer Bestimmungsgründe handwerklicher Innovationsaktivitäten. Dabei wird deutlich, dass die Rolle des Handwerks weit über die des Technologienehmers, der zur Diffusion von Neuerungen anderer Wirtschaftsbereiche beiträgt, hinausgeht. Innovative Handwerksbetriebe sind Erfinder völlig neuer Problemlösungen und haben wesentlichen Anteil an der Verbesserung oder Erneuerung von Prozessen und Produkten anderer Unternehmen. Außerdem spüren sie neue Absatzmärkte auf, indem sie Sachgüter und Dienstleistungen weiterentwickeln und an spezielle Bedürfnisse anpassen oder neue Formen der Leistungserbringung konzipieren. Innovative Handwerksbetriebe erfüllen damit eine zu anderen Akteuren komplementäre und unverzichtbare Rolle im gesamtwirtschaftlichen Innovationsprozess.

Im empirischen Teil der Arbeit konnten eine Vielzahl sehr interessanter Ergebnisse gewonnen werden. Hierdurch wird es möglich, die Erkenntnisse zu einer Typologie handwerklicher Innovatoren zu verdichten Bestimmten Innovatorentypen im Handwerk können entsprechende Merkmale und Muster ihrer Innovationsprozesse zugeordnet werden. Denn zu den Innovatoren des Handwerks gehören zwar nicht wenige Erfinder völlig neuer Problemlösungen, aber zugleich haben Handwerker häufig wesentlichen Anteil an der Verbesserung oder Erneuerung von Prozessen und Produkten anderer Unternehmen, also ihrer Kunden. Außerdem spüren Handwerker neue Absatzmärkte auf, indem sie Sachgüter und insbesondere Dienstleistungen weiterentwickeln und an spezielle Bedürfnisse anpassen oder neue Formen der Leistungserbringung konzipieren. Die vom Autor entwickelte Typologisierung erweist sich auch bei der Frage nach Ansätzen zur Förderung von Innovationen im Handwerk in bemerkenswerter Weise als aussagekräftig.

Zusätzlich werden wesentliche Erfolgsfaktoren und Defizite des handwerklichen Innovationsverhaltens, die unabhängig von bestimmten Innovatorentypen wirksam sind, herausgearbeitet. Tatsächlich zeigen sich trotz aller Unterschiede zwischen den einzelnen Handwerksgruppen und der Art ihrer innovativen Aktivitäten Gemeinsamkeiten bei bestimmten generellen Stärken und Schwächen. Notwendige Voraussetzungen für erfolgreiche Innovationstätigkeit sind etwa spezifische Kompetenzen innerhalb des Betriebes oder als Ergebnis kooperativer Arrangements. Unverzichtbar ist darüber hinaus jedoch auch eine innere und äußere Offenheit der Unternehmen, um beispielsweise rechtzeitig die Chancen bestimmter technologischer Entwicklungen zu erkennen, andererseits aber auch die innerbetrieblichen Potenziale optimal zu nutzen.

In kreativer und intuitiver Weise gelingt es vielen der untersuchten innovativen Betriebe größenbedingte Ressourcennachteile zu kompensieren und Stärken auszubauen. Allerdings zeigen sich auch bei diesen innovativen Unternehmen „klassische“ Defizite im Managementbereich sowie bei der Vermarktung ihrer Neuerungen. Hinzu kommen die nicht allein innovationsbedingten, doch durch Innovationsanstrengungen verstärkten Finanzierungs- und Personalprobleme.

Insgesamt liefert die vorgelegte Studie vielschichtige Erkenntnisse über die Erscheinungsformen und Merkmale von Innovationsaktivitäten im Handwerk, die Art und Weise, in der sie sich vollziehen, sowie über ihre gesamtwirtschaftliche Bedeutung.

Die mit Handwerk und Mittelstand befassten Kreise aus Theorie und Praxis dürften dieser Forschungsarbeit viele wichtige Anregungen für ihre Tätigkeit entnehmen können.

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