Profile und Motive der Existenzgründer im Handwerk

König, W., Müller, K. & Heyden (2003). Profile und Motive der Existenzgründer im Handwerk. Göttinger Handwerkswirtschaftliche Arbeitshefte (Heft 49). Göttingen.

In der neuen Studie des SfH Göttingen steht das Existenzgründungsgeschehen des Handwerks im Mittelpunkt. Die Untersuchung stützt sich primär auf zwei empirische Erhebungen, zum einen bei angehenden Meistern (Meisterschülern), zum anderen bei Personen, die vor fünf Jahren die Meisterprüfung im Handwerk abgelegt hatten. Um die Gründungsneigung dieser Personen zu untersuchen, wurden die Befragten danach unterschieden, ob sie eine Selbstständigkeit anstreben oder sogar schon verwirklicht haben, dies ablehnen oder diesbezüglich noch unentschlossen sind. Bei den Meisterschülern gaben gut 40 % an, dass sie an einer Selbstständigkeit interessiert seien.

Unentschlossen war noch etwa ein Drittel, und lediglich ein knappes Viertel der Befragten war sich sicher, dass für sie eine Selbstständigkeit nicht in Betracht kommt. Fünf Jahre nach der Meisterprüfung waren die Anteile etwas verschoben. Während die Gruppe der Unentschlossenen in beiden Fällen etwa gleich groß war, hatten 37 % ihre Existenzgründung bereits realisiert und 30 % wollten als Meister unselbstständig tätig bleiben. Die Meisterprüfung wird am häufigsten deshalb abgelegt, um sich weiter zu qualifizieren. Daneben spielen aber auch der Wunsch nach einer späteren Selbstständigkeit bzw. die Möglichkeit einen Betrieb zu übernehmen eine entscheidende Rolle.

Die Finanzierung der Meisterprüfung erfolgt primär aus Ersparnissen. Daneben hat heute auch das Meister-BaföG eine große Bedeutung. Früher mussten die heutigen Meisterschüler eher einen Kredit aufnehmen oder einen Nebenjob annehmen. Im Fall einer Übernahme spielt auch die Finanzierung durch den elterlichen Betrieb eine wichtige Rolle. Neugründer müssen dagegen häufiger auf eigene Ersparnisse zurückgreifen.

Bei vielen gründungsinteressierten Meistern ist der Wunsch nach einer Selbstständigkeit schon lange vorhanden. Der Grund hierfür liegt vor allem im ausgeprägten Unabhängigkeitsstreben. Daneben spielt aber auch eine anstehende Übernahmemöglichkeit eine wichtige Rolle. Bei etwa jeden fünften Meisterschüler ist die Unzufriedenheit mit der bisherigen Arbeitsstelle bzw. eine drohende Arbeitslosigkeit ausschlaggebend.

Für denjenigen Meisterschülern bzw. Meister, die nicht an einer Selbstständigkeit interessiert sind, spielen hierfür insgesamt drei Gründe eine entscheidende Rolle. Erstens ist für diese Meister eine Existenzgründung mit zu viel Risiken behaftet. Zweitens fehlt häufig das notwendige Eigenkapital und drittens beklagen sich die Meister über die schlechten Rahmenbedingungen für Selbstständige in dieser Gesellschaft.

Zwei Drittel der unselbstständigen Meister sind weiter in einem Handwerksbetrieb tätig; der Rest hat das Handwerk verlassen. Viele Meister arbeiten heute in der mittelständischen Industrie, wo sie mehr als im Handwerk verdienen können. Insgesamt gaben 80% der unselbstständigen Meister an, dass sie mit ihrer beruflichen Position zufrieden seien.

Aufgrund der vorliegenden Daten konnten verschiedene Faktoren danach untersucht werden, ob sie einen Einfluss auf die Gründungsneigung im Handwerk besitzen. Danach zeichnet sich vor allem ab, dass die Persönlichkeitsmerkmale der Befragten, die Größe des Herkunftsbetriebes und eine bereits bestehende Selbstständigkeit innerhalb der Familie wichtige Bestimmungsfaktoren für die Gründungsneigung darstellen. Dagegen scheinen demografische Faktoren, wie Alter und Geschlecht, schulische und betriebliche Vorbildung und das makrosoziale Umfeld keine maßgebliche Rolle zu spielen.

Insgesamt zeigen die Bedeutung, welche die Selbstständigkeit innerhalb der Familie und die Größe des Herkunftsbetriebes für den Gründungsentschluss aufweisen, dass das Existenzgründungsgeschehen im Handwerk stark von einer Kultur der Selbstständigkeit geprägt ist. Je kleiner der Handwerksbetrieb ist, desto eher wird ein Gefühl für die Selbstständigkeit vermittelt. Die Selbstständigkeit ist im Handwerk nicht etwas Außergewöhnliches, sondern wird, insbesondere auch durch den großen Befähigungsnachweis, als etwas Alltägliches gesehen, als eine logische Konsequenz der handwerklichen Ausbildung. Die Handwerker wachsen quasi in die Selbständigkeit hinein, da diese Option in ihrer beruflichen Vision einen hohen Stellenwert hat.

Die tief verwurzelte Kultur der Selbständigkeit im Handwerk bietet eine Möglichkeit, ein verstecktes Gründungspotenzial freizulegen und erfolgreich zu mobilisieren. Im Handwerk zeigt sich aufgrund des unternehmerischen Selbstverständnisses eine gelebte Kultur der Selbstständigkeit, die in einer beachtlichen Gründungsdynamik mündet.

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