Verbleib und Abwanderung aus dem Handwerk: Die Arbeitsmarktmobilität von handwerklichen Nachwuchskräften

Haverkamp, K. & Gelzer, A. (2016). Verbleib und Abwanderung aus dem Handwerk: Die Arbeitsmarktmobilität von handwerklichen Nachwuchskräften. Göttinger Beiträge zur Handwerksforschung (Heft 10). Göttingen.

Das Handwerk leistet traditionell einen wesentlichen Beitrag zur beruflichen Qualifizierung junger Schulabsolventinnen und Schulabsolventen. Nicht alle Fachkräfte, die im Handwerk ausgebildet werden, verbleiben jedoch nach Ende ihrer Ausbildung in diesem Wirtschaftsbereich. Die Abwanderung handwerklich ausgebildeter Fachkräfte in andere Wirtschaftsbereiche wird dabei in verschiedenen Kontexten diskutiert und unterschiedlich bewertet.

Vor diesem Hintergrund untersucht der vorliegende Beitrag die Arbeitsmarktmobilität von handwerklich qualifizierten Fachkräften. Auf Grundlage von umfassenden, repräsentativen Befragungen von Erwerbstätigen in Deutschland (BIBB/IAB-Erhebungen bzw. BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragungen 1979-2012) werden die Abwanderungsmuster aus dem Handwerk systematisch untersucht und dabei sowohl die zeitliche Entwicklung nachgezeichnet als auch die strukturellen Unterschiede im Zeitablauf verdeutlicht. Der zweite Teil der Studie identifiziert die Bestimmungsfaktoren der Abwanderung aus dem Handwerk und beantwortet die Frage, welche individuellen Eigenschaften der Handwerksgesellen und der Handwerksbetriebe Einfluss auf die Mobilitätsentscheidungen ausüben.

Im Ergebnis zeigt sich, dass die Abwanderungsprozesse aus dem Handwerk seit Mitte der 2000er Jahre deutlich an Bedeutung gewonnen haben. Bis zum Ende der 1990er Jahre verblieb etwa die Hälfte der im Handwerk ausgebildeten Fachkräfte im weiteren Erwerbsverlauf im Handwerk. Aktuell ist der Anteil der „handwerkstreuen“ Gesellen und Gesellinnen auf unter 40 % zurückgegangen. Ein Viertel der im Handwerk ausgebildeten Fachkräfte ist im späteren Erwerbsverlauf in Industriebetrieben tätig. Damit bestätigt sich die in der älteren Literatur formulierte Einschätzung nicht, dass das Interesse der Industrie an handwerklich qualifizierten Fachkräften rückläufig sei. Insbesondere Handwerksgesellen und Gesellinnen mit einem Abschluss in Elektro- und Metallberufen finden häufig eine Anstellung in Industriebetrieben verwandter Branchen.

Die multivariaten Analysen im zweiten Teil der Studie zeigen, dass Handwerksgesellen und Gesellinnen, die im späteren Erwerbsverlauf eine Fortbildung zum Meister, Techniker oder Fachwirt absolvieren, signifikant höhere Verbleibswahrscheinlichkeiten aufweisen. Ursprünglich im Handwerk ausgebildete Fachkräfte, die über eine Hochschulzulassung verfügen und nach dem Lehrabschluss ein Studium absolvieren, weisen hingegen deutlich höheres Abwanderungsrisiko auf. Dies lässt schlussfolgern, dass insbesondere die handwerkliche Sozialisierung der jungen Nachwuchskräfte und eine Weiterentwicklung bzw. Neugestaltung von differenzierten und attraktiven Bildungs- und Karrierewegen innerhalb des Handwerksbereichs eine geeignete Strategie zur Stärkung der Bindung an den Handwerkssektor darstellen kann.

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