Asymmetrische Information auf dem Handwerksmarkt – eine qualitative Analyse

Rupieper, L.K. & Proeger, T. (2019). Asymmetrische Information auf dem Handwerksmarkt – eine qualitative Analyse. Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, (68) 2, 149-182.

In Kürze

  • Die Studie untersucht auf Basis von Interviews mit Handwerksbetrieben und Kunden, durch welche Mechanismen Informationen über Qualität vermittelt werden und ob hierbei Effekte der Novellierung der HWO nachweisbar sind.
  • Insgesamt ist bei Kunden vor der Beauftragung eine deutliche Unsicherheit über die zu erwartende Qualität der Dienstleistungen festzustellen.
  • Die regionale Reputation der Betriebe und das soziale Umfeld der Kunden sind die wichtigsten Mechanismen zur Information über Qualität.
  • Formale Qualitätsnachweise wie Zertifikate, Normen oder Qualitätssiegel spielen bei der Information über Qualität nur eine untergeordnete Rolle.
  • Der Meisterbrief wird von den Kunden mit hoher Qualität verbunden, begründet aber nicht allein die Entscheidung für oder gegen die Beauftragung eines Betriebs.
  • Der Preis der Dienstleistung hat in Bezug auf die Qualität keine wichtige Informationswirkung.
  • Auf dem betrachteten Markt kompensiert die regionale Reputationsbildung die Qualitätsunsicherheit.
  • Es ist fraglich, ob dieser Mechanismus auf größeren, dynamischen Märkten mit geringer Überlebensrate der Betriebe zur Qualitätssicherung beitragen kann.

Die Handwerksordnung (HwO) ist die rechtliche Grundlage des handwerklichen Sektors in Deutschland. In Folge ihrer Novellierung im Jahr 2004 entfiel für die Hälfte der von der HwO regulierten Berufe die Meisterpflicht als Vorbedingung zur Unternehmensgründung. Während die wettbewerbsökonomischen Folgen dieser Deregulierung vielfach analysiert wurden, fehlen Erkenntnisse zur informationsökonomischen Dimension des Wegfalls der Qualifikationspflichten. Hierbei ist zu klären, ob Informationsasymmetrien auf dem Handwerksmarkt Marktversagen im Sinne eines „Market-for-Lemon-Problems“ begünstigen, oder ob diese durch marktendogene Instrumente kompensiert werden – eine ökonomische Frage, die im Zentrum der wirtschaftspolitischen Diskussion um die Meisterpflicht steht. Diese Studie nutzt qualitative Methoden zur Analyse von 268 Interviews mit Betrieben und Privatkunden auf Handwerksmessen, um Informationsasymmetrien und marktendogene Instrumente zu ihrer Kompensation auf dem Handwerksmarkt zu untersuchen. Wir finden Hinweise auf starke Informationsasymmetrien und deren Kompensation durch regionale Reputationsbildung. Ferner zeigt sich, dass keine marktendogenen, formalen Informationsmechanismen über handwerkliche Dienstleistungsqualität entstanden sind. Auf Basis dieser Ergebnisse werden Forschungsansätze zur weiteren Untersuchung der informationsökonomischen Struktur des Handwerksmarktes formuliert.

Aus den Ergebnissen der Studie konnten eine Reihe von Forschungsfragen abgeleitet werden:

  • Wie unterscheiden sich die Informationsasymmetrien zwischen den Gewerken? Welche Konsequenzen haben diese Unterschiede für verpflichtende Ausbildungsgänge?
  • Warum sind keine formalen Qualitätsmechanismen entstanden bzw. haben sich diese nicht durchgesetzt? Sind solche formalen Informationsinstrumente für Handwerksdienstleistungen prinzipiell problematisch?
  • Erfolgte in Folge der Deregulierung eine Preisdifferenzierung zwischen Betrieben, die verschiedene Qualitätsniveaus anbieten? Sind Preisdifferenzen quantitativ abbildbar?
  • Können auf Basis gerichtlicher Klagen auf Nacherfüllung oder der Höhe der in den Urteilen stattgegebenen Gewährleistungsansprüchen Qualitätsentwicklungen in den deregulierten Gewerken nachvollzogen werden?
  • Wie gut funktioniert der Reputationsmechanismus in anderen Marktkonstellationen? Welche Rolle spielen Internetplattformen und -bewertungen zur überregionalen Reputationsbildung?
  • Wie funktioniert die Qualitätsinformation auf Handwerksmärkten zwischen gewerblichen Kunden bzw. dem Staat und Handwerksbetrieben?
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