Handwerk und Reparatur - ökonomische Bedeutung und Kooperationsmöglichkeiten mit Reparaturinitiativen

Bizer, K., Fredriksen, K., Proeger, T. & Schade, F. (2019). Handwerk und Reparatur - ökonomische Bedeutung und Kooperationsmöglichkeiten mit Reparaturinitiativen. UBA Texte 19/2019.

  • Reparaturdienstleistungen haben eine hohe ökonomische Relevanz für das Handwerk.
  • Auf Basis von Experteninterviews werden Anreize und Hemmnisse für eine Ausweitung von Angebot und Nachfrage nach Reparaturdienstleistungen analysiert.
  • Es werden zahlreiche Handlungsfelder für Handwerksorganisationen, Betriebe und Reparaturinitiativen identifiziert, die der Ausweitung von Reparaturdienstleistungen dienen können.
  • Es zeigen sich Kooperationspotenziale mit ehrenamtlichen Reparaturinitiativen; eine mögliche Konkurrenzsituation wird als unproblematisch gesehen.

Die Studie „Handwerk und Reparatur – ökonomische Bedeutung und Kooperationsmöglichkeiten mit Reparaturinitiativen“ adressiert quantitativ die Relevanz von Reparaturtätigkeiten für das deutsche Handwerk sowie qualitativ die Anreize und Hemmnisse für eine Ausweitung von Angebot und Nachfrage für Handwerksdienstleistungen. Neben dem Handwerkssektor werden Reparaturinitiativen betrachtet und deren mögliche Rolle in Kooperation mit Handwerksbetrieben untersucht. Bei der quantitativen Analyse auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes und der ZDH-Strukturumfrage zeigt sich eine starke ökonomische Relevanz von Reparaturdienstleistungen für das Handwerk und eine dominante Rolle von Handwerksbetrieben bei der gesamtwirtschaftlichen Reparaturtätigkeit. Für die qualitative Analyse wurden mit der Reparatur befasste Betriebe, Akteure der Handwerksorganisationen sowie Personen in Reparaturinitiativen in Experteninterviews befragt. Die im Anschluss durchgeführte Analyse zeigt eine ganze Reihe von Anreizen und Hemmnissen für reparierende Betriebe sowie für Reparaturinitiativen und Konsumenten auf, die für eine mögliche Steigerung von Reparaturangebot und -nachfrage zu beachten sind. Hinsichtlich der Frage von Kooperation oder Konkurrenz zwischen Handwerk und Reparaturinitiativen zeigen sich bei den befragten Personen keine Vorbehalte hinsichtlich einer Konkurrenzsituation, wohl aber deutliche Kooperationspotenziale. Den Abschluss der Studie bilden die Identifikation möglicher Handlungsfeldern für die Handwerksorganisationen und Reparaturinitiativen sowie eine Diskussion des weiteren Forschungsbedarfs, der diese erste Analyse des Themenfelds „Reparatur und Handwerk“ vertiefen könnte.

Die vorliegende Studie analysiert die ökonomische Relevanz von Reparaturdienstleistungen für das deutsche Handwerk und diskutiert Maßnahmen zur Steigerung der Nachfrage nach Reparaturen. Hierbei werden auch Kooperationsmöglichkeiten mit der in den vergangenen Jahren gewachsenen Reparaturbewegung beschrieben. Aus den Ergebnissen von quantitativen und qualitativen Analysen werden Handlungsfelder und Potenziale für das Handwerk beschrieben sowie Forschungsperspektiven zur weiteren Untersuchung des Themenfeldes „Handwerk und Reparatur“ aufgezeigt.

Für diesen Zweck wurden zunächst Daten der Handwerkszählung des Statistischen Bundesamtes sowie einer Strukturumfrage des Zentralverbands des Deutschen Handwerks imHinblick auf die ökonomische Relevanz der Reparatur für das Handwerk ausgewertet. Dabei zeigt sich:

  1. Reparaturdienstleistungen haben eine gewichtige ökonomische Relevanz für das Handwerk.Sie repräsentieren 31 Milliarden Euro und damit rund 6 % des handwerklichen Gesamtumsatzes im Jahr 2014.
    1. Rund 46.000 Handwerksbetriebe befassen sich alleinig mit Reparaturdienstleistungen und beschäftigen dafür rund 213.000 Angestellte.
    2. Die zentralen Bereiche sind dabei: die Reparatur von Kfz, von Maschinen (v.a. im industriellen Bereich), von Metallerzeugnissen (v.a. im SHK-Bereich), von sonstigen Gebrauchsgütern (z.B. Fahrräder und Kleidung), Haushalts- und Gartengeräten, Unterhaltungselektronik sowie von elektrischen Ausrüstungen (z.B. Gebäudeelektrik). Reparaturaktivitäten werden besonders häufig von kleineren Betrieben mit bis zu 4 Angestellten ausgeführt.
  2. Im Kontext der Gesamtwirtschaft ist das Handwerk ein zentraler Akteur hinsichtlich der Reparatur.
    1. Rund 44 % aller Reparaturumsätze werden von Handwerksbetrieben erwirtschaftet.
    2. Im Vergleich mit anderen Sektoren treten dabei sieben überdurchschnittlich stark durch das Handwerk geprägte Reparaturbereiche hervor: Reparaturen von Kfz, Unterhaltungselektronik, Schmuck, Haushalts- und Gartengeräten, Schuhen und Lederwaren, elektrischen Ausrüstungen (z.B. Gebäudeelektrik) sowie von Maschinen (v.a. Industrieanlagen).

Auf dieser quantitativen Analyse aufbauend erfolgt eine qualitative explorative Analyse der Anreize und Hemmnisse von reparierenden Handwerksbetrieben sowie von ehrenamtlich in Reparaturinitiativen tätigen Personen. Hierfür wurde eine Reihe von Experteninterviews durchgeführt, die unter anderem klären, welche Konkurrenzsituationen und Kooperationschancen zwischen Handwerk und ehrenamtlich Reparierenden bestehen. Die darauf basierende Anreiz- und Hemmnisanalyse wird auf einem interdisziplinären Verhaltensmodell aufbauend strukturiert durchgeführt und dargestellt. Dabei zeigen sich die folgenden zentralen Anreize und Hemmnisse auf Seiten der Betriebe, der Reparaturinitiativen sowie auf Seiten der Nachfrager.

Tabelle: Anreiz- und Hemmnisanalyse

Auf Basis dieser qualitativen Untersuchung werden Handlungsfelder und -potenziale für Handwerksbetriebe, -organisationen sowie Reparaturinitiativen diskutiert. Die Ergebnisse können eine Grundlage für einen Diskussionsprozess zur Stärkung der Reparaturdienstleistung sein. Denkbar ist im diesem Zusammenhang die verstärkte digitale Wissensweitergabe und Vernetzung von Reparaturinitiativen und reparierenden Handwerkern sowie der Ausbau der statistischen Erfassung und Sichtbarkeit der Reparaturinitiativen. Auf Seiten des Handwerks bestehen mögliche Handlungsfelder in der verstärkten Vernetzung und im Wissenstransfer mit Reparaturinitiativen, dem Beitragen zu digitalen Wissensplattformen im Bereich der Reparatur sowie in der Entwicklung von Kooperationsformaten durch Verbände und Kammern. In Bezug auf die Gewinnung von Auszubildenden wäre eine verstärkte Thematisierung von Reparatur und Nachhaltigkeit ebenso wie eine Bewerbung der Reparatur in den Ausbildungsstätten denkbar. Engagement im Bereich der Reparatur könnte ferner genutzt werden, um die lokale Kundenbindung und -gewinnung zu verbessern, was eine potenzielle Kompensation des wachsenden Einflusses durch die Industrie bereitgestellter Internetplattformen für das Handwerk darstellen könnte.

Auf Ebene der Kooperation zwischen Handwerk und Reparaturinitiativen wird betont, dass keiner der Interviewpartner eine Konkurrenzsituation zwischen Handwerkern und Reparaturinitiativen aufgrund der unterschiedlichen Marktsegmente sieht, wohl aber Chancen einer stärkeren Kooperation. Denkbar wären dabei etwa gemeinsame Reparatursiegel, Workshops und Nachwuchswerbung. Für das Handwerk werden solchen Kooperationen insbesondere hinsichtlich Umsatzsteigerungen, lokaler Kundenbindung und Nachwuchswerbung erhebliche Potenziale zugeschrieben.

Schließlich werden aus den vorliegenden explorativen Ergebnissen Forschungsperspektiven abgeleitet. Denkbar wären hierbei etwa repräsentative Umfragen unter Handwerksbetrieben zur Struktur der Reparaturaktivitäten sowie in den Handwerksorganisationen zu bestehenden Initiativen und Kooperationen im Bereich der Reparatur. Aus der Analyse von Best-Practice-Beispielen könnten Checklisten und Handlungsleitfäden für Betriebe und Handwerksorganisationen entwickelt werden. Diese empirischen Arbeiten könnten mit juristischen Gutachten zur Rolle des Handwerks bei Fragen der Reparierbarkeit ergänzt werden. Eine enge Kooperation mit Reparaturinitiativen für die Forschungsaktivitäten wäre dabei zweckmäßig. Ferner könnte eine Ausweitung und Erleichterung der statistischen Erfassung von Reparaturaktivitäten sowie deren praktische Verknüpfung mit den handwerklichen Akteuren erfolgen.

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